Die traurigen Ursachen des Krieges

Die traurigen Ursachen des Krieges und die Pflicht eines jeden, sich um Frieden zu bemühen

Ansprache von 'Abdu'l-Bahá in Paris, Oktober 1911


Ich hoffe, dass ihr alle glücklich und wohlauf seid. Ich bin nicht glücklich, sondern sehr betrübt. Die Nachricht von der Schlacht bei Benghazi bekümmert mein Herz. Ich wundere mich über die menschliche Grausamkeit, die noch in der Welt ist. Wie können Menschen von morgens bis abends kämpfen, einander töten und das Blut ihrer Mitmenschen vergießen? Und wofür? Nur, um die Herrschaft über ein Stück Erde zu gewinnen! Selbst die Tiere haben beim Kampf einen unmittelbaren und vernünftigeren Anlass für den Angriff! Wie schrecklich ist es, dass sich Menschen, die dem höheren Reiche angehören, so erniedrigen, dass sie ihre Mitgeschöpfe um den Besitz eines Landstriches erschlagen und mit Elend überziehen!

Das höchste der erschaffenen Wesen kämpft um die niederste Form des Stoffes: Erde. Das Land gehört nicht einem Volke, sondern allen. Diese Erde ist nicht des Menschen Heim, sondern sein Grab. Es ist um ihre Gräber, worum diese Menschen kämpfen. Nichts in dieser Welt ist so schrecklich wie das Grab, die Stätte der verwesenden Menschenleiber.

Wie groß auch der Eroberer sein mag, wie viele Länder er auch versklavt, er kann von diesen verwüsteten Ländern nichts behalten, als ein winziges Stück: sein Grab. …

Aber der Krieg wird gemacht, um den menschlichen Ehrgeiz zu befriedigen. Um des weltlichen Gewinnes einiger weniger willen wird schreckliches Elend über ungezählte Heime gebracht und das Herz von Hunderten von Männern und Frauen gebrochen!

Wie viele Witwen trauern um ihre Gatten, wie viele Berichte über wilde Grausamkeiten werden laut! Wie viele verwaiste Kinderchen schreien nach ihren toten Vätern, wie viele Frauen weinen um ihre erschlagenen Söhne!

Nichts ist so herzzerbrechend und schrecklich, wie ein Ausbruch der menschlichen Wildheit. Ich heiße euch alle und jeden von euch, alles, was ihr im Herzen habt, auf Liebe und Einigkeit zu richten. Wenn ein Kriegsgedanke kommt, so widersteht ihm mit einem stärkeren Gedanken des Friedens. Ein Hassgedanke muss durch einen mächtigeren Gedanken der Liebe vernichtet werden. Kriegsgedanken zerstören alle Eintracht, Wohlfahrt, Ruhe und Freude.

Gedanken der Liebe schaffen Kameradschaftlichkeit, Frieden, Freundschaft und Glückseligkeit. …

Wenn ihr von ganzem Herzen Freundschaft mit allen Rassen auf Erden wünscht, so werden sich eure Gedanken geistig und aufbauend verbreiten, sie werden zum Wunsche anderer werden, wachsen und wachsen, bis sie alle Menschen erreichen.

'Abdu'l-Bahá